Sommerlager mit Philippe Coupey in Ommerborn (D)

Nachdem im letzten Jahr das Sommerlager und viele Sesshins mit Philippe Coupey coronabedingt ausgefallen sind, war die Freude bei allen, wieder real zusammen zu praktizieren, gross. Philippe Coupey begann 1972 mit Meister Deshimaru zu praktizieren und leitet bis heute viele Sesshins vor allem in Frankreich und Deutschland. Da seine Sangha hauptsächlich aus dem französischen und deutschsprachigen Raum kommt, finden die grossen Sesshins abwechselnd in Frankreich und Deutschland statt.

Dieses Jahr war Ommerborn, etwa 40 km östlich von Köln wieder an der Reihe. Um die 80 Leute kamen aus Berlin, Hamburg, Halle, Tübingen, Stuttgart, Paris, Nantes, Lille, Basel, Buchs, Zürich, usw. zusammen. Ich stelle mir immer diese Sternfahrt vor, wenn die Menschen aus allen Richtungen am Tag X zusammen treffen. Ob das klappt, war diesmal bis zuletzt unsicher, da zwei Tage vor dem Ankunftstag grosse Unwetter und Überschwemmungen die nähere Umgebung verwüstet hatten und die Zufahrt zum Teil blockiert war.
Schlussendlich sind dann alle heil und mit einem negativen Coronatest angekommen. Zu den weiteren Schutzmassnahmen gehörte auch, dass alle Mahlzeiten draussen in einem extra aufgestellten Zelt eingenommen wurden. Was für das Serviceteam ein zusätzlicher grosser Aufwand war, da die Schüsseln in der Küche abgeholt, über Gänge und Flure, die Treppe hinunter ins Freie getragen werden mussten. Dazu kam, dass für diese Woche zum Teil starker Regen angesagt war.

Doch wir hatten Glück – oder der Kosmos hat unsere Praxis wieder einmal beschützt. Es war zwar kühl, aber regnete kaum und wenn, dann nachts. Alle haben einander geholfen, extra Samu (gemeinschaftliches Arbeiten) wurden für den reibungslosen Ablauf geschaffen und so haben wir mit viel Energie und guter Stimmung 10 intensive Tage Sommerlager miteinander verbracht. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen, die Stimmung war konzentriert und es wurde viel gelacht und ausgetauscht. Etwa in der Vorbereitungszeit beim Kaffee nach der Guen Mai oder dem Mittagessen, sowie in der Bar beim Apéro oder nach dem Abendzazen. Am fünften Tag gab es abends ein kleines
Fest – mit Coronaeinschränkungen – trotzdem wurde noch bis spät in die Nacht getanzt. Nach dem vielen Sitzen immer ein besonderes und heilsames Vergnügen für Körper und Geist!
Darauf folgte ein Ruhetag, wo man die ländliche Umgebung mit Spazieren erkunden oder einen Ausflug zum Seebad machen konnte.
Dann das Sesshin, dreieinhalb Tage intensive Praxis im Rhythmus von Zazen und Samu. Und wie immer, während einem längeren Sesshin mit Philippe, an einem Vormittag ein Marsch. Alle kommen in ziviler Kleidung ins Dojo, man sitzt etwa 20 Minuten, dann gehen alle raus, ziehen die Schuhe an und während einer guten Stunde gehen wir zügig und schweigend, konzentriert auf den Boden unter unseren Füssen durch Wald und über Felder. Wieder beim Dojo angelangt sitzen wir nochmals 20 Minuten, danach geht es direkt zum Mittagessen.

Das Sommerlager ist für mich immer ein besonderes Ereignis im Jahr. An einem ruhigen Ort in der Natur sich auf die Praxis konzentrieren, langjährige Weggefährten wieder treffen und neue Bekanntschaften mit Gleichgesinnten machen. Wie kann man das besser, als wenn man zusammen in Stille sitzt oder Samu macht?
Die Pandemie hat uns allen deutlich vor Augen geführt, wie kostbar es ist gemeinsam zu praktizieren, wie kostbar die Sangha (Gemeinschaft der Übenden) ist, einer der drei Schätze des Buddhismus!

Madeleine Ehrhard, September 2021

In Erinnerung an Ho Riki Anton Häni (11.6.1950-1.9.2021)

Anton Häni, Zenpraktizierender seit rund 20 Jahren, Mitglied und Aktuar der Mushin Zen Gruppe Zürich ist auf den Grünen Berg gestiegen. Er verstarb friedlich zuhause am 1. September nach schwerer Krankheit. Wir trauern um unseren Dharma-Freund und Begleiter auf dem Zen-Weg. Sein Dharma-Name war Ho Riki, Kraft des Dharma.

Möge er friedlich ins Nirvana eingehen.

Sommer-Sesshins im Tempel la Gendronnière

Zazen ist Zazen, wo immer man praktiziert – und doch ist es einzigartig, wenn man im Dojo in der Gendronnière sitzt. Durch die offenen Fenster des Dojos dringen die Bewegungen und natürlichen Geräusche der Umgebung, ohne die starke Präsenz und tiefe Stille zu stören. Die letzten Sonnenstrahlen, die durch das Fenster an der Westseite dringen, das Rauschen der Blätter im Wind, das Zwitschern der Vögel und das Gurren der Tauben, manchmal der entfernte Ruf eines Käuzchens, das drachenartige Fauchen eines Heissluftballons, der über die Baumwipfel schwebt, das Summen eines Insekts im Nachmittags-Zazen, der Hauch eines Windes, der die Wange streift und den Vorhang am Fenster aufbauscht: trotz all dieser Geräusche ist die Stille ergreifend tief und die Präsenz von 100 Personen im Hier und Jetzt unbeschreiblich stark. Wie wohltuend, in die Gendronnière Heim zu kommen und mit der Grossen Sangha von Meister Deshimaru zu praktizieren.

Nicht nur wegen der Corona-Regeln war die Durchführung der 5. Session dieses wie bereits letztes Jahr anders als früher, denn sie wurde nicht wie üblich von einem einzigen der alten Schüler von Meister Deshimaru geleitet, sondern vom derzeitigen Abt gemeinsam mit sechs Schülerinnen und Schülern der zweiten Generation. Der Tagesablauf war wie in jedem Zen Kloster rhythmisiert durch den Wechsel zwischen den Zazen, den Mahlzeiten, Ruhezeiten und Samu, doch jede und jeder Godo (Verantwortliche) hat die Anleitung der Zazen und die Kusen gemäss seiner/ihrer Persönlichkeit und Temperament für einen Tag übernommen und unterschiedliche Akzente gesetzt. Dies gab die Möglichkeit, ihre Persönlichkeiten und ihre je eigene Art der Unterweisung kennen zu lernen. Zu erleben, dass mehrere fähige Nachfolgerinnen und Nachfolger bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, um die Meister der ersten Generation abzulösen, wenn diese eines Tages nicht mehr die Kraft aufbringen, die anspruchsvollen, grossen Sesshins zu leiten, ist eine wohltuende Erfahrung. Sie stimmt mich zuversichtlich, dass die Mission von Meister Deshimaru, den Buddha-Dharma im Westen weiter bekannt zu machen und lebendig zu halten, auch in der Grossen Sangha weitergeht. Die Gendronnière bleibt für mich ein einmaliger Ort der starken Praxis und der wunderschönen Begegnungen mit Freundinnen und Freunden auf dem Weg, die sich von überall her zu den Sesshins zusammenfinden.

Doris Frei, August 2021

Dojo des Tempels La Gendronnière (Frankreich)

Sommerlager mit Guy Mokuho Mercier im Zentempel Lanau (F)

Früher, vor zehn oder fünfzehn Jahren gab es von unserer Deshimaru-Linie ausschliesslich das Sommerlager im Haupttempel La Gendronnière im Loiretal. Alle oder zumindest viele Zen-Praktizierende aus ganz Europa trafen sich dort in den beiden Monaten Juli und August, in denen jeweils mehrere zehntägige Übungsperiode durchgeführt wurden.

Die Sommerübungsperioden im Juli und August im Tempel La Gendronnière gibt es immer noch, aber mittlerweile führen die nahen Schüler von Meister Deshimaru auch Zen-Sommerlager an anderen Orten durch, sei das in kleineren, regionalen Tempeln wie Seikyuji bei Sevilla, Ryu Monji bei Strassburg, dem Zenzentrum in Lanau oder in gemieteten Gruppenunterkünften.

Das Zenzentrum in Lanau wird von dem Zenmeister und nahen Deshimaru-Schüler Guy Mokuho Mercier geleitet und befindet sich in Lanau in der Auvergne. Es ist nicht ganz einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin zu kommen, so dass die Übungsperiode bereits mit der langen Anreise beginnt. Ich konnte dieses Jahr an zwei Sommerlagern in diesem Tempel teilnehmen und nutzte die Möglichkeit, einen kleinen Film über den abgelgenen Ort in den sanften Hügeln der Auvergne, etwa eine Stunde von Clermont-Ferrand entfernt, zu machen.

Philipp Funk, August 2021

Öffnungszeiten über den Sommer

Das Mushin Dojo ist über die Sommerferien drei Wochen geschlossen:

Montag, 26. Juli – Sonntag, 15. August findet kein Zazen statt.

  • Das letzte Zazen vor der Sommerpause ist am Freitag, 23.7.
  • Das erste Zazen nach der Sommerpause ist am Donnerstag, 19.8.
  • Im August entfällt die Einführung

Während den Monaten Juli und August finden die Sommer-Retreats im Haupttempel La Gendronnière in Frankreich statt, wo auch Anfänger willkommen sind: www.zen-azi.org

Geniesst den Sommer, ruht euch gut aus und bleibt gesund.

Manchmal ist es gut, sich auszuruhen (Kalligrafie von Meister Deshimaru)

Das war ZEN in Hemberg 2021

Nachdem das Sesshin in den Bergen bei Hemberg 2020 wegen der Coronapandemie zweimal abgesagt werden musste, konnte es mit entsprechendem Schutzkonzept dieses Jahr endlich wieder stattfinden: drei Tage lang einfach nur sitzen in Einheit mit der Natur.

Geleitet wurde das Sesshin wieder von Uli Duncker, dem Verantwortlichen des Zendojos Konstanz. Vielen Dank für das tolle Wochenende in den Bergen. Wir freuen uns schon auf das Hemberg-Sesshin nächstes Jahr am 13.-15.5.2022.

Zum Tod von Meister Yuko Okamoto am 16. April 2021

Mit grosser Betroffenheit haben wir vom Tod des verehrten Yuko Okamoto Roshi erfahren, den wir als warmherzige, grosszügige Persönlichkeit kennen lernen durften. Wir schulden ihm grosse Dankbarkeit und Achtung für seine tatkräftige Unterstützung der Sangha von Deshimaru Roshi in Europa und ganz besonders für seine Zuneigung der Sangha von Michel Bovay gegenüber. Unvergesslich bleiben uns Okamoto Roshis Besuche und die herzlichen Begegnungen in Zürich sowie die grosse Gastfreundschaft der Familie Okamoto anlässlich unserer Besuche 1999 und 2007 in Teishoji. Okamoto Roshi wird uns in lebendiger Erinnerung bleiben, wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Am 16. April 2021 ist Meister Yuko Okamoto friedlich im Alter von 86 Jahren ins Nirvana übergegangen. Meister Okamoto war ein naher Freund und Unterstützer von Meister Deshimaru und er gab das Shiho, die Übermittlung an unseren Meister, Michel Bovay.

Am 22. April war auch der Todestag von Missen Michel Bovay und am 29. April (30. April in Japan) jährt sich auch der Todestag von Meister Deshimaru. Wir widmen alle unsere Zazen bis Ende April diesen drei grossen Zen-Meistern, die einige von uns gut kannten. Gassho, Sanpai!

Hier eine Rede von Missen Michel Bovay vom Sommerlager in Davos-Laret 2005, in der er Meister Okamoto im Namen der Sangha dankt:

«Als ich Okamoto-Sensei 1973 zum ersten Mal traf, war er neben Meister Deshimaru im Sesshin in Zinal. Damals war ich noch Anfänger und hätte nie gedacht, dass wir 32 Jahre später zusammen ein Ango praktizieren würden und dass er alle Rakusus für die Ordinationen kalligrafieren würde. Ich weiss, wie viel Okamoto-Sensei Meister Deshimaru unterstützt und geholfen hat. Und jetzt, obwohl es für ihn aus gesundheitlichen Gründen schwierig war, hat er diese Reise unternommen, um an unserem Ango teilzunehmen. Durch seine Präsenz, seine Bescheidenheit und Aufmerksamkeit, erhalten wir von ihm eine Unterweisung jenseits der Worte, für die wir tiefstens dankbar sind. So war es für mich auch bei allen unseren Begegnungen in Japan. Zudem hat er uns die Ango-Praxis von Kodo Sawaki näher gebracht, indem er uns aus seiner Erfahrung von damals erzählt hat. Ich möchte Okamoto-Sensei also ganz speziell danken, weil er seit Kodo Sawaki’s Zeiten, über Deshimaru, bis hierher, nicht aufgehört hat, unsere Sangha zu unterstützen, und in der Übermittlung des Dharma eine grosse Rolle gespielt hat. Deswegen fühle ich mich im Herzen tief mit ihm verbunden. Wenn Meister Deshimaru das alles sehen könnte, wäre er sicher sehr glücklich! Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr ein Sesshin in Teishoji organisieren können. Auf jeden Fall möchte ich, im Namen von allen, Okamoto-Sensei grossen Dank ausdrücken für sein Kommen und seine Präsenz hier. Sanpai!»

Was macht eigentlich Jesse? – ein amerikanischer Zenmönch aus der Schweiz im Tempel in Japan

Jesse Reiho Haasch, lebt seit sieben Jahren in Japan und praktiziert im Kotaiji Tempel in Nagasaki. Auf die Frage, wer er sei und woher er komme, lacht er nur und sagt, er wisse es manchmal selber nicht so genau. Im Tempel in Japan trägt er den Namen Reiho und in den USA und in Europa ist er bei den meisten als Jesse bekannt. Genauso wie er nicht nur einen Namen habe, sei er auch nicht nur aus einem Land. Das sei oft auch eine der ersten Fragen in Japan: «Woher kommst du?» Dann könne er weder sagen, dass er Amerikaner noch dass er Schweizer sei und antwortet jeweils: «Ich komme aus Bukkoku, aus dem Buddhaland.» Damit können die Japaner zwar überhaupt nichts anfangen, aber nur dahinter könne er voll und ganz stehen.»

Eine Reise beginnt: Von Wisconsin, USA nach Zürich

Jesse Haasch wurde in 1973 in Wisconsin, USA geboren, und hat sich schon als Teenager auf seiner Suche für verschiedene spirituelle und philosophische Wege interessiert: Hinduismus, Islam, Buddhismus, Sufismus, westliche Philosophie, etc. Dabei stiess er auch auf ein Buch über Zen, welches die Zazenhaltung beschrieb. Nach einer halben Stunde sass er schon auf dem Bett in der Zazenhaltung und wusste innerhalb der ersten paar Atemzüge «Das ist es!» Es sei etwas Vertrautes gewesen, wie nachhause zu kehren, gleichzeitig mit einem Gefühl einer Grösse und Freiheit, die er noch nie erlebt habe. Anschliessend sass er täglich, zuerst alleine zuhause bei der Familie, später in einem Studenten-Zimmer an der Universität in New Orleans. Rückblickend bereue er ein bisschen, am Anfang alleine praktiziert zu haben: «Es ist gut auch allein sitzen zu können, das habe ich gelernt. Aber man kann auch in eine falsche Richtung wachsen. Bei mir war das so. Die Praxis von Zazen ist etwas das man mit anderen, mit einem Meister tut.»

Eines Tages, als er etwa 19 Jahre alt war, zeigte ihm seine Freundin einen Flyer des Zentempels in New Orleans. Also ging er dorthin und besuchte eine Einführung. Die Erfahrung eröffnete ihm eine neue Dimension der Praxis und bald darauf zog er im Tempel ein. Er praktizierte anschliessend fünf Jahre dort, und wurde 1996 vom Meister Robert Reibin Livingston, einem alten Schüler von Meister Deshimaru, zum Mönch ordiniert. «Ich bin froh mit Robert Livingston angefangen zu haben. Er hat kaum über Zen-Texte unterrichtet, aber war unheimlich stark in den Grundlagen der Zenpraxis: die Haltung, die Atmung, die Konzentration im Hier und Jetzt und Mushotoku (Praxis ohne Absicht, ohne ein persönliches Ziel). Das war für ihn alles.»

1996 kam Reiho zum ersten Mal in den Haupttempel La Gendronniere in Frankreich. Das sei eine nachhaltige Erfahrung gewesen: eine so grosse und diverse Sangha und so viele so unterschiedliche Meister! Er sagt, dass es für ihn eine grosse Erleichterung gewesen sei, diese Vielfalt zu sehen, und nicht seinen Meister in New Orleans nachahmen zu müssen. Im Zentempel in Frankreich lernte er eine Schweizerin kennen und zog bald von New Orleans nach Zürich. Dort praktizierte er mit Michel Missen Bovay, einem anderen nahen Schüler von Meister Deshimaru zehn Jahre bis zu dessen Tod im Jahr 2009. «Was ich an Michel Bovay sehr schätzte, war die Tiefe und Breite seiner Unterweisung und sein ansteckender Enthusiasmus für den Weg. Es gab auch eine grosse und sehr dynamisches Sangha, so dass die alltägliche Praxis in Zürich zu einem wahren spirituellen Abenteuer wurde. Jahre, die ich nie vergessen werde.»

Auf nach Japan

In Japan war Reiho zum ersten Mal bereits 1995 als er seinen amerikanischen Meister Robert Livingston zu dessen Hossen-Shiki-Zeremonie begleiten durfte. 2007 ging er ein zweites Mal mit der Schweizer Sangha von Michel Bovay und blieb anschliessend einige Wochen dort in einem Kloster in Tokyo. Nach dem Tod von Michel Bovay konnte Reiho 2010 zum ersten Mal ein Ango – eine intensive, dreimonatige Praxisperiode – in Shogoji machen, einem alten Tempel tief in den Bergen im Süden von Japan. Es war eine sehr tiefe Erfahrung und dort wurde ihm klar, dass er diese Praxis fortsetzen wollte: sowohl diese Art des traditionellen Kloster-Lebens, als auch die Praxis unter der Leitung des Meisters jenes Angos, Hokan Saito Roshi.

Zurück in Europa war er zuerst etwas hin- und hergerissen zwischen der traditionellen Praxis in einem Tempel in Japan und seinem Leben in Zürich, mit Arbeit, Beziehung und der Praxis in der Mushin Zen Gruppe in Zürich, die er in der Zwischenzeit mit Zenmönchen der ehemaligen Sangha von Michel Bovay aufgebaut hatte. In den kommenden Jahren ging er jedes Jahr für ein weiteres dreimonatiges Ango in einen Tempel in Japan bis er schliesslich 2014 den Entschluss fasste, definitiv nach Japan zu ziehen, zuerst in den Tempel Zuioji, wo sein Meister Saito Roshi über 40 Jahre lange praktizierte. Nach etwa eineinhalb Jahren dort wurde sein Meister Saito Roshi zum Verantwortlichen für die Unterweisung (Godo) im Eiheiji-Tempel berufen, wohin ihm Reiho folgte und eineinhalb Jahre praktizierte. 2017 wurde sein Meister zum Abt von Kotaiji in Nagasaki berufen. Reiho folgte ihm auch dorthin, wo er bis heute praktiziert.

Kotaiji-Tempel: Ausbildungs- und «normaler» Tempel zugleich

In Japan gibt es drei Arten von Tempeln: Erstens, die beiden Haupttempel Eiheiji und Sojiji, die heute auch Ausbildungstempel sind, wo hunderte von Mönchen praktizieren. Zweites gibt es etwa 27 regionale Ausbildungstempel, wo man ein Ango machen kann, was für eine Ausbildung zu einem Abt notwendig ist. Drittens gibt es rund 15’000 «normale» Tempel, die sich in der Regel um eine religiöse Gemeinde (Danka) kümmern, ähnlich wie Kirchen bei uns in Europa.

Kotaiji ist einerseits einer der 27 Ausbildungstempel und andererseits auch einer der 15’000 normalen Tempel mit einer Danka. D.h. der Tempel bildet einerseits zukünftige Äbte von Tempeln aus und macht andererseits diverse Zeremonien und Seelsorge für die lokale Gemeinde. Von dieser erhält der Tempel auch Fuse (finanzielle Unterstützung), um den Unterhalt für den Tempel und die Mönche zu bezahlen.

Nagasaki liegt ganz im Süden der Hauptinsel Japans. Der Tempel Kotaiji liegt zwar mitten in der Stadt, es ist aber doch sehr ruhig. Zudem ist der Tempel relativ klein: Neben den etwa neun Mönchen mit festen Verantwortungen, gibt es je nach Jahr 5-10 Angoshas, d.h. Mönche, die ihre in der Regel einjährige Ausbildung zum Abt eines Familientempels dort absolvieren.

Nachdem Reiho hier 2017 selbst ein Ango absolviert hatte, wurde er einer von den Verantwortlichen, konkret wurde er Sekretär seines Meisters und Ansprechpersonen und Übersetzer für ausländische Mönche. Da Kotaiji einer der wenigen japanischen Tempel ist, wo auch Ausländer ein Ango machen können, hat er immer etwas zu tun: Vor der Zeit von Corona waren die Hälfte der Angoshas Ausländer und die Unterweisung findet ausschliesslich auf Japanisch statt.

Wie praktiziert man in einem japanischen Zentempel?

Ein typischer Tagesablauf in Kotaiji sieht folgendermassen aus: Aufstehen um vier Uhr, 4.30 Uhr eine Periode Zazen, 5.30 Uhr Morgenzeremonie, 6.30 Uhr essen mit Schalen, 7.30 Uhr Putzsamu, 8.30 informeller Tee/ Kaffee. Ab neun Uhr gibt es dann etwas Variation: z.B Zeremonien für die Danka im Tempel oder in den Häusern von Mitgliedern der Danka. Manchmal gebe es etwa 20 solcher Zeremonien an einem Tag: zwei oder drei Zeremonien im Tempel und einige Mönche fahren auf ihren Scootern je zu Mitgliedern der Gemeinschaft und machen dort Zeremonien in deren Häusern und Wohnungen. Wenn es mal keine solche Zeremonien gibt, dann machen alle Samu im Tempel wie Kochen, Putzen, Übersetzen. Um elf Uhr ist die Mittgaszeremonie und um 11.30 Uhr das Mittagessen. Anschliessend gibt es etwas Zeit für «persönliches Studium» – wie man in Europa eine «Siesta» nennt. Ab 13.30 Uhr gibt es dann wieder Samu bzw. wieder Zeremonien für die Danka im Tempel und extern. Um 16 Uhr ist die Abendzeremonie und um 17 Uhr das Abendessen. Anschliessend gibt es etwas unstrukturierte Zeit (Bad, Lesen, Wäsche machen, etc.). Bis 21 Uhr gibt es dann eine oder zwei Perioden Zazen und ca. um zehn Uhr ist dann Lichterlöschen.

An jedem 11. des Monats findet ein eintägiges Sesshin statt und zweimal im Jahr gibt es ein siebentägiges Sesshin: das Rohatsu Sesshin im Dezember und das Sesshin zu Buddhas Nirwana im Februar.

Das Leben in der Gemeinschaft

Im Kotaiji-Tempel gibt es zwei Meister: einerseits den Abt Hokan Saito Roshi, der Meister von Reiho, und andererseits den Verantwortlichen für die Unterweisung, den Godo Giho Munakata Roshi. Diese zwei Menschen sind zwei wichtige Gründe, warum Reiho sehr froh ist, dort zu sein. Saito Roshi, inspiriere ihn durch seine volle Hingabe für die Lehre von Dogen, seinen tiefen Glauben an den Weg des Mönchs und seine Demut – selbst als Abt sei er im Herzen und Handeln immer noch wie ein einfacher Mönch. Der zweite Meister Kotaijis, Munakata Roshi, unterweise vor allem durch sein Tun: Er sage nicht sehr viel, lache dafür umso mehr und sei für Reiho einer der glücklichsten Menschen, den er kenne. «Er hat immer ein Lächeln im Gesicht und macht mit seinen 72 Jahren immer noch am meisten Samu von uns allen.» Allein durch sein Beispiel lerne Reiho sehr viel. Und wenn man ihn doch etwas über das Dharma frage, antworte er aus einer beeindruckenden Tiefe.

Neben den beiden Meistern gibt es sieben weitere «Lehrer», er inklusive, die je unterschiedliche Rollen übernehmen: Tenzo, Ausbildung der Angoshas, Büroarbeit, Übersetzung, Betreuung der Danka, etc. und schliesslich gibt es die Angoshas, die Mönche in Ausbildung. Derzeit, auch wegen der Corona-Pandemie, gibt es nur deren zwei.

Das Leben in einem Zentempel hat auch seine schwierigen Seiten, sagt Reiho: «Ruhezeit ist im Tagesablauf eingebaut, aber einen wirklich freien Tag gibt es nie. Gerne würde ich mich auch freier ausserhalb des Tempelgeländes bewegen können, in der Stadt oder in Japan. Wie überall gibt es auch in einem Zentempel Leute, die man gerne hat und Leute, die man weniger gerne hat. Das ist auch gut so, dass man über seine Zu- und Abneigungen hinausgehen kann. Aber es ist manchmal echt anstrengend, umso mehr weil man ständig auf engem Raum zusammenlebt und sehr wenig Privatsphäre hat.»

Eine Ausbildung ohne Diplom

Vor zwei Jahren hat Reiho eine vierjährige Ausbildung begonnen, um so etwas wie «Kloster-Lehrer» zu werden. Er schickt aber gerade nach, dass das sehr vereinfacht ausgedrückt sei und er nach der Ausbildung weder ein Diplom noch einen Titel habe und auch nicht auf der Suche nach einer Lehrerstelle sei. Für ihn ist die Ausbildung vielmehr eine gute Gelegenheit, in der Vielfalt der japanischen Tempel und Meister einzutauchen. Im Rahmen der Ausbildung verbringt er jedes Jahr während drei Monaten jeweils einige Wochen in verschiedenen Tempeln. So wie die Mönche in früheren Zeiten von Meister zu Meister reisten, ist das heute Teil dieser speziellen Ausbildung für engagierte Mönche. Und das sei sehr spannend, meint Reiho. Auch die anderen Teilnehmer – allesamt aus unterschiedlichen Tempeln – seien inspirierend und haben eine tiefe Lust zu praktizieren, was sonst eher selten in Japan sei. Zudem muss er selber einstündige Teishos (Vorträge) vor seinen Mitschülern und den Meistern halten, inklusive Feedback. Das alles geschieht selbstverständlich auf Japanisch. Das sei zwar herausfordernd aber eben auch eine «fantastische Gelegenheit», wie er sagt. Zwei Jahre sind nun vorüber aber wegen der Corona-Pandemie wurde ein Jahr pausiert und es folgen nochmals zwei Jahre.

Und was bringt die Zukunft?

Reiho ist mittlerweile sieben Jahre in Japan und es ist wie er selber sagt auf die eine oder andere Art auch bequem, wenn man sich mal eingerichtet hat, vielleicht sogar zu bequem. Er meint darum, dass das Leben hier im Tempel in Japan nicht auf Dauer das sei, wonach er suche. Er erzählt, wie er in den letzten Jahren auch einige Male zu verschiedenen Gelegenheiten in Europa war: für Sitzungen, Zeremonien, Ausbildungs-Sessionen, und zwei Mal, um ein Sesshin in der Schweiz zu leiten. Diese Besuche und Sesshins sind es denn auch, die Reiho wirklich berühren. «Obwohl das Zen in Japan definitiv nicht ‹tot› ist, wie man es in Westen manchmal vorschnell behauptet, bin ich am glücklichsten, wenn ich mit der Deshimaru-Sangha in Europa an einem Sesshin sitze. Es bereitet mir am meisten Freude, wenn ich mit anderen etwas teilen kann. Mir ist von diesen wirklich tollen Meistern wie Robert Livingston, Michel Bovay und den Meistern hier in Japan etwas gegeben worden, das ich gerne weitergeben möchte. Das ist wirklich eine super Sache und gerne möchte ich so etwas tun.»

Wie konkret eine mögliche Zukunft zurück in Europa aussehen könnte, kann er aber derzeit noch nicht sagen. Die Zeit wird es dann schon zeigen: «Auf irgendeine Weise möchte ich einfach weiter den Weg zusammen mit dieser grossen Sangha gehen. ‹Wo denn?› fragt man mich oft. In Bukkoku, dem Land von Buddha!

Bodensee-Sesshin 2021 voraussichtlich mit Jesse Reiho Haasch
Vom 24.-26. September leitet voraussichtlich Jesse Reiho Haasch zum dritten mal das Bodensee-Sesshin auf der Wartburg, das dieses Jahr vom Zen Dojo St. Gallen organisiert wird. Weitere Informationen dazu folgen auf www.zendojos.ch

Interview: Philipp Funk

ZEN in Hemberg, 28.-30.5.2021

Aussicht vom Gruppenhaus (Mai 2019)

Nachdem das Sesshin in Hemberg im Mai und November 2021 wegen dem Coronavirus abgesagt werden musste, findet es nun vom 28.-30. Mai 2021 hoffentlich wieder statt. Das Haus ist reserviert und weitere Details folgen auf dieser Webseite.

Ankunft zum Sesshin ist am Donnerstag Abend ab 19 Uhr. Das Sesshin endet am Sonntag nach dem Mittagessen und dem anschliessenden Zusammenräumen ca. um 14/15 Uhr.

Anmelden kann man sich ab sofort beim Zen Dojo Konstanz per Mail unter dojo@zendojo-konstanz.de